Zöliakie
Gluten stresst den Darm
Jeder 500. Deutsche verträgt das Eiweiß Gluten nicht. Aber 70 bis 80 Prozent der Betroffenen wissen nichts von ihrer Erkrankung, denn häufig leiden sie unter untypischen Symptomen.
Das Tückische an der Dünndarmerkrankung ist die Vielfalt der auftretenden Symptome. Die Zöliakie ist das Chamäleon unter den Magen-Darm-Erkrankungen. Treten die Anzeichen in harmloser Form auf, beispielsweise mit einem gelegentlichen Bauchdrücken, erkennt der Betroffene häufig gar nicht, dass er unter einer Nahrungsmittelunverträglichkeit leidet. Nicht immer hat der Patient den typischen Durchfall. Manchmal ist auch nur der Wert des roten Blutfarbstoffs zu niedrig, und er kann mit der Unverträglichkeit gut leben. Aber sehr häufig verschlimmern sich die Beschwerden in einer Belastungssituation, wie im Falle einer Schwangerschaft oder nach einem Verkehrsunfall. Manchmal reicht es aber auch schon aus, wenn der Job gerade besonders stressig ist.
Ursache und Symptome:
Reaktion auf Getreidebestandteile
Die Zöliakie ist eine chronische Erkrankung des Dünndarms. Sie beruht auf einer Unverträglichkeit des in Getreide enthaltenen Klebereiweißes Gluten. Der Dünndarm zersetzt die Nahrung in ihre Bestandteile. Die Nährstoffe gelangen von dort über die Schleimhaut ins Blut. Der Darm ist mit Ausstülpungen ausgekleidet, den Zotten. Zöliakie-Betroffene reagieren auf Gluten mit einer Entzündung der Darmschleimhaut und einer Rückbildung der Zotten. Dadurch verkleinert sich die Oberfläche des Dünndarms immer weiter, der Körper kann nicht mehr ausreichend Nährstoffe aufnehmen. Die Schädigung der Schleimhaut führt meistens zu Mangelerscheinungen.
Die Anzeichen einer Zöliakie sind vielfältig. Deshalb kann der Arzt sie ohne gezielte Untersuchungen oft nicht eindeutig zuordnen. Die meisten Patienten leiden unter Bauchschmerzen, Durchfall und Gewichtsverlust. Auch Schlaflosigkeit, Müdigkeit oder Depressionen können Symptome sein. Hin und wieder macht sich die Zöliakie auch durch Verstopfung, eine Entzündung der Leber oder Schilddrüsenprobleme bemerkbar. Typische Hinweise auf eine Zöliakie im Kindesalter sind außerdem Eisenmangel, Wesensveränderungen, zum Beispiel Weinerlichkeit, oder Wachstumsstörungen.
Die Dünndarmerkrankung tritt häufig zusammen mit Diabetes mellitus (Typ I), Laktoseintoleranz, Osteoporose, Schilddrüsenerkrankungen, Arthritis und mit dem Down-Syndrom auf.
Diagnose:
Wie sich der Verdacht bestätigt
Vor 30 bis 40 Jahren haben die Ärzte die Erkrankung vor allem bei Kindern diagnostiziert. Heute stellen die Mediziner sie vor allem bei Jugendlichen und Erwachsenen fest. Diese Veränderung hat ihre Ursachen vermutlich in den veränderten Still- und Essgewohnheiten. Die Zöliakie macht sich erst dann bemerkbar, wenn sich der Körper mit dem Klebereiweiß Gluten konfrontiert sieht. Heute hergestellte Säuglingsnahrung ist zumeist glutenfrei. Zum Kontakt mit dem Getreidebestandteil kommt es erst durch die Gläschenkost. Dadurch tritt die Zöliakie bei Kindern in einem höheren Alter auf als zu der Zeit, als es noch keine spezielle Säuglingsnahrung gab.
Der Hausarzt kann Zöliakie nachweisen, indem er zunächst das Blut auf Antikörper untersucht. Ist das Ergebnis negativ, liegt mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent keine Zöliakie vor. Ist es jedoch positiv, entnimmt der Spezialist bei einer Dünndarmbiopsie eine Gewebeprobe, um das Ergebnis zu sichern.
Therapie:
Lebenslang glutenfreie Ernährung
Die Zöliakie ist eine chronische Erkrankung. Die einzige Therapiemöglichkeit ist eine lebenslange glutenfreie Ernährung. So kann sich der Dünndarm erholen und seine Funktion wieder aufnehmen. Meistens bessern sich die Symptome schon wenige Wochen nach einer Ernährungsumstellung.
Gluten und seine verwandten Eiweiße kommen vor allem in den Getreidearten Weizen, Dinkel, Roggen, Gerste und Hafer vor. Diese Sorten sowie alle Lebensmittel, in denen sie enthalten sind, vertragen Zöliakie-Betroffene nicht. Selbst in den kleinsten Mengen reagieren sie auf Back- und Teigwaren, wie Brot und Nudeln, aber auch Bier.
Seit November 2005 sind alle glutenhaltigen Produkte gekennzeichnet. Viele glutenfreie Lebensmittel sind durch eine durchgestrichene Ähre markiert. Zwar treten die Beschwerden nicht gleich auf, wenn der Patient ein Brötchen isst, aber das Immunsystem und die Dünndarmschleimhaut reagieren schon auf einen einmaligen Glutenkontakt. Es ist für Betroffenen also auch nicht ratsam, gelegentlich etwas zu essen, in dem sie das Klebereiweiß vermuten.
Vorbeugung:
Gezielter Kontakt mit Gluten
Die Verwandten ersten und zweiten Grades der Betroffenen haben häufiger Zöliakie als andere Menschen. Bei Angehörigen ersten Grades liegt die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung bei zehn Prozent. Ist ein Verwandter ersten Grades Zöliakie-Patient, ist ein Besuch beim Arzt vorsichtshalber angebracht. Ist ein Elternteil betroffen, empfehlen Mediziner, das Kind sechs Monate lang zu stillen, damit es nicht zu früh mit Gluten in Kontakt kommt. Es komplett zu meiden, ist aber auch nicht ratsam. Derzeit überprüfen Forscher in Langzeitstudien, ob sich die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung durch die gezielte Einführung des Klebereiweißes in die Ernährung reduziert.
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